Bull Gamma 55 (GE-55) Anlage. Links der Drucker I41, hinten die CPU (2 Meter lang!), rechts der Lochkartenstanzer PS40, auf dem Tisch der Lochkartenleser und davor die alphanumerische Tastatur
Eine "neue" Computer-Anlage von BULL beglückt unser Museum: BULL Gamma 55, nach dem Zusammenschluss von Bull mit General-Electric auch mit "GE-55" bezeichnet. Diese Anlage war 26 Jahre lang in der Schweiz komplett mit allen notwendigen Unterlagen (Manuals, Lochkarten...) eingelagert und erblickt jetzt wieder das Licht der Welt.
Sie wurde 1966 von BULL (Frankreich) entwickelt und kam 1967 auf den Markt. Gedacht war die GE-55 für kleine und mittlere Betriebe, die bisher auf "elektronische Rechenanlagen" aus Kostengründen weitgehend verzichten mussten.
Dieser Computer zeigt, welche ungeheuerlichen Schritte Mitte der 60er Jahre vollzogen wurden. Während im GAMMA 10 alle Befehle und Rechenschritte mittels unzähliger aufwändiger "Zyklen" durch logisch aktive (und damit störanfälliger) Schaltungen generiert wurden, geschieht dies im GE-55 in einem riesigen Festwertspeicher in Form eines gefädelten ROMs. Hier sind sogar ganze Mikroprogramme abgelegt. Das vereinfachte den Aufwand an Logik-Bauelementen sehr stark.
Der Rechner wurde in der Grundversion als reine Lochkartenanlage mit viel Mechanik konzipiert. Immerhin werden die Lochkarten optisch und nicht mehr durch Metallbürsten gelesen.
Bild links: Die Anlage während der Phase der optischen Restauration
Unser Rechner begnügt sich, wie damals üblich, mit einer Maschinensprache und einem "Mini-Cobol" als Programmiersprache. Der notwendige Compiler wird mittels Lochkarten geladen. Der ganze Programmablauf wird schließlich durch einen mit Lochkarten zu ladenden "Supervisor" vorgenommen.
Die Anlage wurde mit einem Arbeitsspeicher (Kernspeicher) von 2,5 KB, 5 KB oder 10 KB angeboten. Wir haben die 5K-Version. Es ist erstaunlich, dass man mit so wenig Speicherplatz bereits eine programmier-"Hochsprache" (Cobol), wenn auch in abgespeckter Form, verwenden kann. Es war jedoch auch ein Trommelspeicher anschließbar, so dass damit sogar "Mini-Fortran" installiert werden konnte.
Bei allen Fortschritten im Software-Sektor war die Hardware von BULL rückständig. Die Boards der Rechnerlogik haben den gleichen Aufbau (mit Germaniumtransistoren) wie die des Gamma 10, sie sehen auch identisch aus. Zur gleichen Zeit baute UNIVAC seine Logik bereits mittes monolithischen Schaltkreisen in DTL-Logik. Gleiches gilt für IBM, auch hier wurden bereits 1965 z.B. in der IBM 1130 einfache monolith-ICs verwendet.
Wir werden uns bemühen, die schöne Anlage wieder "zum Laufen" zu bringen und berichten dann weiter.
Zeitdokument: Hier Auszüge des Textes aus der originalen System-Beschreibung von 1967/68
"Nach intensiven Marktanalysen wurde von BULL GENERAL ELECTRIC ein Computer entwickelt, der durch seine Universalität besticht:
Er ist ein Datenverarbeitungssystem, dessen logische Konzeption ein klares Abbild moderner Computer ist;
Er ist darüber hinaus aber auch ein Datenverarbeitungssystem, das direkte Dateneingaben über Tastaturen in den Verarbeitsungsprozess erlaubt;
Er ist bei alledem ein echtes Datenverarbeitungssystem, weil er wachsen und größere interne und externe Speicherkapazität erhalten kann.
Aufbau: Die Zentraleinheit (CPU) des GE-55 stellt über 4 Kanäle - 3 normale für langsame Randeinheiten und 1 Hochleistungskanal für externe Speichereinheiten und den schnellen Drucker her.....
...die Zykluszeit beträgt 7,9 us. Interner Code ist der ISO-Code. Der Kernspeicher dient als Daten- und Programmspeicher. Ein Byte, 8 Datenbits und ein Prüfbit, speichert ein alphabetisches Zeichen oder ein bzw. zwei numerische Zeichen. Die Rechenoperationen erfolgen in gepackter Darstellung....
Den Analysen der Befehle und ihrer Ausführung dient ein Festspeicher mit einer Kapazität von 1024 Worten zu je 36 Bits.......Dieser enthält Mikroprogramme für die Steuerung, Überwachung und Befehlsdurchführung sowie arithmetische Rechentafeln und Umschlüsselungstabellen für externe Codes.
Software: Das Programmiersystem zur Vereinfachung der Programmierung enthält im Wesentlichen:
Symbolsprachen zur eigentlichen Programmierung und
Assembler zur Umwandlung der symbolisch geschriebenen Programme......"